Was tun, wenn’s brennt?

Dienst nach Vorschrift und andere Protestformen zum Wiederaufbau guter Arbeit in der Wissenschaft


Offenes Podium & Diskussion

13. Dezember 2022 | 18 – 20 Uhr c.t. | Raum: H-C 3305

Glaubt man den Hochglanzbroschüren von Universitätsleitungen oder den Newsfeeds von HochschulpolitikerInnen, herrscht – allen Widrigkeiten unserer Zeit zum Trotze – Exzellenz und Impact im solidarischen Innovationswerk Wissenschaft. Die Realität sieht indes deutlich düsterer aus: anstelle von Leuchttürmen türmen sich Schulden und Mängelbewirtschaftung vor allem in der Lehre, aber auch in der Forschung, für die außerhalb von Drittmittelprojekten immer weniger Raum bleibt.

In Zeiten multipler Krisen gelten die Universitäten (genauso wie die Schulen) als duldsame Kapitalspender zum Stopfen von anderweitigen Finanzlöchern. Rektorate reichen die Sparzwänge an die Fakultäten und Fächer weiter: Einstellungsstopps und Ausgabensperren präkarisieren zunehmend den wissenschaftlichen Arbeitsalltag für Beschäftigte wie Studierende. „Humboldtsche Bildungsideale“ kann sich in der Praxis niemand leisten.

Die Folgen tragen auch diejenigen, die im System festangestellt sind und entweder an der Qualität von Forschung und Lehre sparen oder ihre Gesundheit aufs Spiel setzen. Besonders hart aber trifft es den größtenteils mit Kettenverträgen befristeten wissenschaftlichen Mittelbau, der zugleich in Verwaltung und Lehre die Grundlast der universitären Infrastruktur gewährleisten soll. Die Slogans „Leistung zahlt sich aus“ und „Familiengerechte Hochschule“ waren zwar schon immer eine Chimäre, für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind sie heute nur noch zynisch: selbst großes Engagement in der Lehre, Erfolg in der Forschung und Geschick im Umgang mit der universitären Bürokratie sind keine Garanten für eine zumindest halbwegs vernünftige berufliche oder auch private Lebensplanung.

Die in der Wissenschaft Tätigen setzen all dem bislang wenig entgegen: sie haben in der Politik keine Lobby, sind durch Statusgruppen und verteilte Privilegien desolidarisiert und hochschulpolitisch notorisch schwach organisiert. Mit der Initiative #ichbinHanna aber findet seit dem Bildungsstreik 2009 erstmals wieder ein Umdenken statt, werden die schlechten Arbeitsbedingungen öffentlich thematisiert, gibt es an vielen Universitäten gut vernetzte Aktionsgruppen. Feuilletonartikel und erste Protestaktivitäten – wie zuletzt die Demonstration an der Universität Greifswald – zeigen, dass die Sparzwangrhetorik nicht einfach weiter hingenommen werden kann.

Hieran knüpft diese Veranstaltung an: Ziel der offenen Plenardiskussion ist weniger eine Zustandsanalyse – die Situation ist hinlänglich bekannt. Im Fokus steht vielmehr die konstruktive Frage, wo wir Grenzen ziehen müssen, um Universität sowohl als wissenschaftlichen Arbeitsraum als auch als gesellschaftlich essenziellen Bildungs- und Kulturort gegen Sparzwänge und politisches Missmanagement zu schützen. Und sollten diese Grenzen überschritten sein, welche Formen des Protestes sind angezeigt? Welche Möglichkeiten böte Dienst nach Vorschrift, um die eklatanten Mängel sichtbarer zu machen und politischen Handlungsdruck zu erhöhen?

Fragen wie diese müssen sich alle Beschäftigen an der Universität gleichermaßen stellen, auch und allen voran Professorinnen und Professoren, tragen sie schließlich von Amts wegen die Verantwortung dafür, was Wissenschaft ist und sein soll. Das offene Podium richtet sich daher an Angehörige aller Statusgruppen.

Die Veranstaltung findet in Präsenz statt. Wer sich digital zuschalten möchte, den/diejenige bitten wir um vorherige Anmeldung an eva.kampschulte@uni-siegen.de.